Seit Jahresanfang ist Hubert Schöffmann Mitglied der Hauptgeschäftsführung der IHK für München und Oberbayern, bildungspolitischer Sprecher der bayerischen IHKs und als Bereichsleiter zuständig für berufliche Bildung und Fachkräfte. Akademische und berufliche Bildung sind für ihn gleichermaßen für den Wirtschaftsstandort Bayern wichtig. Dabei spielt das Verbundstudium mit seiner anspruchsvollen Doppelqualifikation bei der Gewinnung von exzellenten Fach- und Führungskräften in der Königsklasse.
Welche Bedeutung hat das duale Studium, insbesondere das Verbundstudium, für die IHKs in Bayern?
Mit Blick auf die aktuelle Arbeits- und Fachkräftesituation in Bayern gewinnt natürlich auch das Duale Studium an immer größerer Bedeutung. Für unsere Unternehmen ist es ein passgenaues Bildungsmodell, dass das Beste aus beiden Welten vereint und berufliche Praxis optimal mit akademischem Wissen verzahnt. Insbesondere das Verbundstudium mit seiner anspruchsvollen Doppelqualifikation spielt bei der Gewinnung von exzellenten Fach- und Führungskräften in der Königsklasse. Eindeutiger Indikator für die kontinuierlich steigende Attraktivität ist auch die Anzahl der Studierenden: Zum Startschuss von Hochschule Dual im Sommersemester 2006 waren es 650 Studierende die an den Start gingen, im WS 2022/2023 konnten bereits 8.413 Studierende verzeichnet werden. Für ein komplett neues Bildungsmodell sind das beachtliche Zahlen. Fakt ist, sowohl bei den Absolventen aus Gymnasien, als auch bei unseren Unternehmen hat der "Bildungs-Biathlon" voll ins Schwarze getroffen hat. Das freut uns natürlich sehr!
Akademische Bildung - Berufliche Bildung: Was überwiegt, Synergien oder Konkurrenz? Wie können beide am sinnvollsten miteinander verknüpft werden?
Eine lange und intensiv geführte Diskussion! Wir müssen damit aufhören, beide Systeme gegeneinander auszuspielen. Für einen starken Wirtschaftsstandort sind beide Bildungswege, respektive deren Absolventen von essentieller Bedeutung. Diese Erkenntnis muss noch stärker ins bildungspolitische und gesamtgesellschaftliche Bewusstsein, denn angesichts des Arbeits- und Fachkräftebedarfs können uns solche Diskussionen absolut nicht leisten. Wenn Sie mich nach der sinnvollsten Verknüpfung beider Welten fragen, dann ist diese Frage schnell beantwortet: nur über das Duale Studium gelingt es Wissenschaft und Praxis sich synergetisch zu verzahnen, aber auch der beidseitige Wissenstransfer kann damit am besten sichergestellt werden. Aber das duale Studium leistet darüber hinaus mit Blick auf gegenseitige Anerkennung, Respekt und Wertschätzung vor der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Systems einen sehr wertvollen Beitrag. Wenn wir unsere Unternehmen nach ihren Erfahrungen mit den Dualis fragen, erhalten wir die eindeutige Antwort - Besser geht es nicht, bitte mehr davon!
Vor welchen Herausforderungen stehen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Gewinnung und Bindung von dual Studierenden?
Unsere BIHK Konjunkturumfrage im Frühjahr 2023 zeigt: Nach der Sorge um Energie- und Rohstoffpreise, sehen die bayerischen Unternehmen den Fach- und Arbeitskräftemangel als größtes Risiko für die weitere Geschäftsentwicklung der nächsten 12 Monate. Dies gilt nicht nur für große Unternehmen oder Konzerne, sondern insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen. Für viele dieser Betriebe ist es mittlerweile zur Herkulesaufgabe geworden, ihre Ausbildungsplätze überhaupt, geschweige denn adäquat besetzen zu können. Dieses Dilemma setzt sich natürlich auch bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen für Dual Studierende fort. Erschwerend kommt hinzu, dass sich dieser Bildungsweg an eine Zielgruppe richtet, die aufgrund der Anforderungen eines dualen Studiums zu den High-Potentials zählen und der Wettbewerb um die klügsten Köpfe bereits seit Jahren auf Hochtouren läuft. Insofern ist es aus Sicht der Betriebe wichtig, frühzeitig auf die Zielgruppe zuzugehen, idealerweise direkt mit Gymnasien zu kooperieren, um für die Schülerinnen und Schüler sichtbar zu werden. Ein tolles und erfolgreiches Projekt sind hier die IHK Bildungspartnerschaften, welche auf die langfristige und nachhaltige Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft angelegt sind. Da große Unternehmen in der Regel über eigene Ausbildungsmarketing- und Recruitingabteilungen verfügen, ist es für KMU`s umso wichtiger, Alleinstellungsmerkmale heraus zu arbeiten und zu vermarkten. Für die Jugendlichen der Generationen Y und Z, zählt eben nicht nur ein gutes Onboarding, sondern auch ein smartes Preboarding ist von entscheidender Bedeutung.
Was wünschen Sie sich für die weitere Entwicklung des dualen Studiums in Bayern?
Für das duale Studium wünsche ich mir einen unverzichtbaren Platz im bayerischen Bildungssystem. Das es von den bayerischen Unternehmen, Jugendlichen und Eltern künftig als feste und "ganz normale" Bildungsoption in der Phase der Berufsorientierung und Berufswahlentscheidung wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Selbstverständlich wünsche ich mir, dass der "Bildungs-Biathlon" weiterhin auf der Überholspur Gas gibt und die notwendige Energie dafür durch viele wertvolle, innovative Kooperationen zwischen Wirtschaft und Hochschule und den Dualis nicht ausgeht. Die bayerischen Industrie- und Handelskammern werden auf jeden Fall alles dafür tun, dass sich das duale Studium in der bayerischen Bildungslandschaft als feste Größe etabliert.
Vielen Dank für das Interview!